Die Entscheidung:
Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 27.02.2018, Az.: 4 U 161/17, entschieden, dass die Bezeichnung einer ambulante Zahnarztpraxis als "Praxisklinik" gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG irreführend ist und deshalb nicht in der Außenwerbung verwendet werden darf. Ein Verbraucher erwarte, dass die vorgehaltene medizinische Versorgung einer „Praxisklinik“ in jedem Fall über das Angebot einer reinen Arztpraxis hinausgehe. Denn nur so wäre die Bezeichnung als „Klinik“ überhaupt gerechtfertigt. Die Bezeichnung als "Praxisklinik" setze voraus, dass das Angebot der medizinischen Versorgung neben der rein ambulanten Versorgung auch die Möglichkeit einer, wenn auch nicht längerfristigen, so doch zumindest vorübergehenden stationären Behandlung im Bedarfsfall bieten müsse. Der Begriff einer „Klinik“ stehe nach dem Verständnis des Rechtsverkehrs für das Synonym „Krankenhaus“ und assoziiere hiermit dementsprechend nicht nur operative Eingriffe, sondern auch und vor allem eine stationäre Behandlung (BGH GRUR 1996, 802, 803 – Klinik; OLG München WRP 2015, 642, 645; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 5 Rn. 4.33; Lindacher in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 937).
Aus den Entscheidungsgründen des Urteils:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG gegen den Beklagten zu.
1. Die beanstandete Verwendung des Begriffs „Praxisklinik“ ist unter den gegebenen Umständen irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.
a) Wie eine Werbung verstanden wird, hängt maßgeblich von der Auffassung des Personenkreises ab, an den sie sich richtet. Die in Rede stehende Werbung richtet sich an jeden potentiellen Patienten des Beklagten, mithin im Prinzip an jedermann – und dessen Verkehrsauffassung können die Mitglieder des ständig und ausschließlich mit Wettbewerbssachen befassten, erkennenden Senates aufgrund eigenen Erfahrungswissens und eigener Sachkunde beurteilen, ohne dass es hierfür besonderer Sachkunde bedürfen würde (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 5 Rn. 1.233).
Maßstab ist hierbei die Auffassung des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 5 Rn. 1.76 mwN). Diesem sind in der Regel weder die Begriffsbestimmungen des SGB V noch der Berufsordnungen für Zahnärzte, geschweige denn der Zahnärztekammern oder der einschlägigen Fachliteratur bekannt.
b) Dieser Verbraucher erwartet, dass die vorgehaltene medizinische Versorgung einer „Praxisklinik“ in jedem Fall über das Angebot einer reinen Praxis hinausgeht. Denn nur so wäre die Bezeichnung als „Klinik“ überhaupt gerechtfertigt. Das heißt im vorliegenden Fall, dass er sich von dieser neben der rein ambulanten Versorgung auch die Möglichkeit einer, wenn auch nicht längerfristigen, so doch zumindest vorübergehenden stationären Behandlung im Bedarfsfall verspricht.
aa) Entgegen der Ansicht des Beklagten versteht der Verkehr den Begriff „Praxisklinik“ nämlich nicht als eine aus sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildete Wortzusammensetzung (Oxymoron), bei der die Bezeichnung Praxis im Vordergrund steht und die Verwendung des Begriffs „Klinik“ an und für sich ausschließt. Denn der Wortbestandteil „Klinik“ ergibt in diesem Fall keinen Sinn und der Beklagte müsste sich fragen lassen, warum er diese Bezeichnung überhaupt gewählt hat.
bb) Vielmehr erweckt der Begriff „Praxisklinik“ beim maßgeblichen Verkehrskreis zunächst den Eindruck, der Beklagte betreibe eine „Klinik“. Ein solches Verständnis liegt in Anbetracht des hier verwendeten Kompositums „Praxisklinik“ mehr als nahe. Denn semantisch dominiert bei derlei zweigliedrigen Komposita regelmäßig das Zweitglied als Grundwort. Es trägt im Vergleich zur Bedeutung des gesamten Kompositums die allgemeinere Bedeutung, so dass es dieses ganz allein repräsentiert (Duden, Die Grammatik, 8. Aufl., Rn. 1002) – und solchermaßen fasst auch der Verbraucher den Begriff auf. Das heißt auch vorliegend, dass der Begriff „Klinik“ bestimmend ist und damit ist auch die Praxisklinik eine Klinik.
Der Verkehr versteht den Begriff der „Klinik“ jedoch nach wie vor als Synonym für „Krankenhaus“ und assoziiert hiermit dementsprechend nicht nur operative Eingriffe, sondern auch und vor allem eine stationäre Behandlung (BGH GRUR 1996, 802, 803 – Klinik; OLG München WRP 2015, 642, 645; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 5 Rn. 4.33; Lindacher in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 937).
cc) Allerdings geht der angesprochene Verkehr aufgrund des vorangestellten Wortbestandteils „Praxis“ nicht ohne weiteres davon aus, dass es sich es bei einer Praxisklinik um eine Klinik im eigentlichen Sinne handelt.
Denn die Bedeutung des Zweitgliedes eines Determinativkompositums wird regelmäßig durch das Erstglied näher bestimmt, sie wird – wie hier – eingeschränkt (Duden, aaO.).
Dementsprechend wird der Verbraucher – so das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen völlig zu Recht - auch nicht mit der Möglichkeit einer mehrtägigen stationären Unterbringung rechnen, zumal eine solche nach dem unstreitigen Vorbringen des Beklagten bei zahnärztlichen Behandlungen nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt. Ihm wird ebenso klar sein, dass der Schwerpunkt einer „Praxisklinik“ in der ambulanten Versorgung liegt.
Dennoch wird er von einer „Praxisklinik“ mehr erwarten, als dass dort gegebenenfalls auch umfangreiche Operationen vorgenommen werden (vgl. OLG München GRUR 2000, 91 Rn. 60 zum Begriff „Tagesklinik“). Vielmehr wird er sich von dieser zumindest die erforderlichen Einrichtungen für eine, wenn auch nur im Ausnahmefall notwendige vorübergehende stationäre Versorgung, und zwar auch über Nacht versprechen.
Genau hiermit präsentiert sich die zahnärztliche Praxisklinik für den angesprochenen Verbraucher, zumal wenn er im Einzelfall beispielsweise Komplikationen im Rahmen der Behandlung fürchtet, als vorzugswürdige Alternative zur rein ambulanten Zahnarztpraxis und erwägenswerte Alternative zur Zahnklinik im eigentlichen Sinne.
Von nichts anderem als einem solchermaßen vorsorglichen Vorhalten von Einrichtungen zur Nachbetreuung ist im Übrigen in dem vom Beklagten vorgelegten Merkblatt der Y aus Dezember 2011 die Rede (Bl. 48ff. der Akte). Auch das vom Beklagten im jüngsten Schriftsatz vom 20.02.2018 vorgetragene Verständnis der P ist kein anderes.
c) Diese Vorstellung ist im vorliegenden Fall jedoch falsch.
Denn nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten verfügt seine Praxis eben nicht über die Möglichkeit einer auch nur vorübergehenden stationären Aufnahme. Nach seinem Berufungsvorbringen war eine Übernachtung im Bedarfsfall zwar ursprünglich Gegenstand der Baugenehmigungsplanung im Rahmen einer separaten Suite. Jedoch sei diese später mangels Nachfrage wieder aufgegeben worden.
d) Es liegt auf der Hand, dass die Irreführung über derlei positive Leistungsmerkmale für die Marktentscheidung des Verbrauchers von Bedeutung und damit wettbewerblich relevant i.S.d. § 5 UWG ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 5 Rn. 1.177)
2. Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 36. Aufl., § 8 UWG, Rn. 1.43).
III. Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den § 91 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Quellen / Links:
Volltext der Entscheidung: Rechtsprechungsdatenbank NRW
Weitere Quellen: dejure.org